Donnerstag, 4. Oktober 2012

...letzte Rose




.... Frau A.ist im Heim gestürzt und hat sich den Arm gebrochen. Ich muss Frau A. waschen,  sie  anziehen, ihr  Essen anreichen und  Medikamente geben.

Frau A. ist dement. 

 Ich ziehe mir einen gelben Schutzkittel über und betrete das Zimmer.
"Hallo Frau A., ich möchte Sie jetzt ein bisschen frischmachen und dann bringe ich Ihnen Frühstück.

Sie sieht mich strahlend an und sagt: " Oh, sie sehen aus wie der Erzengel Gabriel.
Haben sie Kinder ? " Ich antworte:  "Ja, drei "
Frau A. : " Dann sagen Sie ihnen, sie sollen Ihnen eine goldene Krone basteln, etwas dunkler als Ihr Gewand, dann sehen sie noch schöner aus als jetzt."

Ich muß schlucken, arbeite weiter... Stück für Stück tauchen klare Inseln aus dem Vergessen auf... die einzige Tochter schon vor Jahren verstorben, die geliebte Arbeit als Kindergärtnerin,  alles wird noch einmal erzählt und durchlebt, immer wieder unterbrochen von Gesang .... auf der Mauer auf der Lauer, liegt ne kleine Wanz.... Skizzen eines klugen, gefühlvollen und arbeitsreichen Lebens tauchen auf.
Sie fragt mich, welcher Jahrgang ich sei, ich sage 57 und sie sagt zu mir :
 " Dann haben Sie noch viel Zeit , ich nicht mehr."
Ich bin kurz vorm Heulen, Frau A. singt schon wieder, fröhlich mit kindlicher Stimme, selbstvergessen.
Ich will Ihr noch etwas zu trinken holen und sage, dass ich gleich wiederkomme.

 Sie sieht mich mit wachen Augen an und sagt: " Das ist schön, und wenn sie nicht wiederkommen, werde ich Ihr Bild im Herzen tragen"

Als ich zurückkomme, hat sich Frau A. ihre Perücke aufgesetzt, sie ist ihr tief ins Gesicht gerutscht. Frau A. schläft tief und fest....


 Ich wünsche Frau A., dass  jemand sie liebt, und ihr eine goldene Krone bastelt.







.... wir tragen alles in uns

3 Kommentare:

  1. Dein Mitgefühl und dein freundliches Wesen haben der guten Frau ein Strahlen ins Herz gezaubert!
    Ganz wunderbar und dafür danke ich dir.

    Vogelwilde Herzensgrüße,
    Jen

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  2. Dieses Erlebnis hast Du wunderbar in Worte gefaßt. Ich war ein wenig traurig, als ich es gelesen habe. Ich musste an meine Mutter denken. Sie sang auch immer fröhliche Lieder. Ich konnte damals mit der Erkrankung überhaupt nicht umgehen, es traf mich quasi unvorbereitet und erst im Nachhinein habe ich verstanden und es tut mir leid, dass ich einfach aus Unkenntnis nicht auf sie eingehen konnte.
    LG Christiane

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  3. Liebe Gitta,

    ich war auch ein wenig traurig, als ich das gelesen habe. Denn ich hatte meine Mutter bis zum Tod gepflegt, Alzheimer.
    Deswege finde ich wiederum schön, daß Du auf Frau A. so eingegangen bist.

    Liebe Grüße, Heike

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