Freitag, 7. November 2014

Damals wars oder: dark side of Landleben



Aus gegebenem Anlass und, weil ich sowieso schon lange mal was über unsere Anfänge hier aufm Dorf schreiben will. 


 Voila... der Irrsinn hat einen Namen : wir kaufen uns ein altes Bauernhaus !!!

 Knapp zwei Jahre waren wir ein Paar, da fanden wir nach fast ebenso lange dauernder Suche  und der Besichtigung etlicher Ruinen endlich das Haus, in dem wir nun seit mehr als 20 Jahren leben (und bauen) .



Eigentlich hatten wir zu jener Zeit keine Ahnung, was auf uns zukommt .
Ich konnte recht anständig tapezieren, mein Angetrauter hatte schon mal ein Regal oder ähnliches gestrichen, und außerdem hatten wir jede Menge tolle Ideen und wie gesagt... keine Ahnung.


Der erste Eindruck im Hochsommer bei herrlichem Sonnenschein war gar nicht so schlecht. 
 Zwei Zimmer waren oberflächlich schnell zurechtgemacht.( tapezieren und so), denn wir wollten uns die weitere Miete für unsere hannoverschen Wohnung sparen,  und so sind wir  an den letzten warmen Herbsttagen 1992 frohgemut eingezogen. 


 Damals zu dritt, mein Sohn war knapp 10 Jahre alt...


 
Schnell stellte sich heraus : das Haus ist wesentlich kaputter, als gedacht, fast der gesamte Schwellerbalken muss ausgetauscht werden, das heisst, KEINE Wand bleibt stehen. Das Dach ist undicht. ALLE Fenster müssen müssen ersetzt werden. Und.. Und.. Und ...!!!


Der Denkmalschutz sitzt uns mit Auflagen und Nörgeleien im Nacken, und am Ende von Geld und Nerven ist noch sehr viel Bau übrig.


Der erste Winter, lausig kalt, wie auch viele folgende. Heizung mit Einzelöfen, eingefrorene Wasserleitungen.


 Anstelle eines Badezimmers gab es im ersten Jahr eine Klappdusche, für 40 Mark in weiser Voraussicht gekauft. Im Winter gefror im Duschbecken das Wasser, denn die Vorrichtung zum abpumpen war kaputt...also ungeduscht zum Nachtdienst, sieht ja keiner, is ja dunkel.


Unsere Kinderpläne hatten wir bei Kauf des Hauses für mindestens zwei Jahre auf Eis gelegt. Wir fanden es günstiger, die ersten Jahre im Haus ungehindert beide für den Bau zuständig zu sein. Fanden wir.

Romantisch ? Nein ! Eher kalt und dunkel.....

Im Oktober, wie gesagt, sind wir hierher gezogen, im Dezember war ich schwanger. Soviel dazu.


 Ein Freund sagte damals lapidar, als ich begeistert davon berichtete,

was ich alles nähen, stricken, basteln wollte : "Kannste vergessen ! "
 Kannste vergessen ??
Verwundert und auch verärgert habe ich ihn gefragt, wie lange er denn schätzen würde...  " Zwanzig Jahre" Ha !  Ich fühlte mich massiv unterschätzt und war stinksauer. Wie konnte er sowas sagen.   
Ihr wisst schon was jetzt kommt,  der gute Mann hatte weitgehendst recht !!!


Warum ich das erzähle ? Weil ich mich manchmal eher so (siehe obiges Foto) gefühlt habe. Lange Zeiten des Stillstands und auch der Zweifel überstehen musste. 



Es nicht immer leicht war, wenig Geld, Zeit, dafür aber jede Menge Arbeit und Müdigkeit zu haben...Ideen und Pläne lange aufschieben zu müssen.  
Weil ich heute froh darüber bin, das ich jetzt Zeit habe zum Nähen, Basteln, Stricken. Froh darüber, das unsere Ehe das alles ausgehalten hat. Außergewöhnlich froh. Geradezu ekstatisch froh !

 Und unsere Kinder heute sagen, sie hätten eine wunderbare Kindheit gehabt, hier auf der Baustelle. 


 Mit vielen Tieren, viel Platz zum spielen, toben, rennen... Zum Budenbauen und Feuermachen.



Einige Bereiche im Haus sind immer noch nicht ausgebaut. Aber wir haben eine moderne Heizung, sogar mit Sonnenkollektoren. Das Dach ist neu, und das 20 qm große Badezimmer der zweiten Generation ist wirklich toll geworden.  Meine Tapezierkenntnisse sind seit Jahren eher zweitranging , denn die Lehmwände werden nur getrichen. Dafür hat mein Mann inzwischen eine Tischlerausbildung gemacht und kann jetzt selber Fenster und Möbel bauen.

Drinnen und draußen ist jede Menge Platz. 

In ein paar Wochen werde ich 57 Jahre alt. Und wieder neu habe ich Lust auf Landleben, auf Gartenbau, Hühnerhaltung, auf Fahrradfahren mit dem Hund und Wollewaschen im Garten. Auf Besuch von Freunden und Kindern mit ihren wunderbaren Partnern.  

So falsch kann das alles also nicht gewesen sein. Irgendwie ist alles gut geworden.


23 Jahre alt ist dieses Foto. Natürlich sehe ich jetzt anders aus, eben 23 Jahre älter.Aber das Lebensgefühl , das hier zu sehen ist.  Das ist wieder da.

Zeit für ein neues Familienfoto.




 

11 Kommentare:

  1. Ach, Gitta, Du hast einfach eine bezaubernde Art zu erzählen. Und zeigst einem immer wieder das man alles schaffen kann, wenn man es nur wirklich will.
    Ich habe vor ein paar Jahren ein Fotobuch von meinem Geburtshaus und Hof angefertigt. Von den Anfängen aus den 50er Jahren bis heute. Als meine Großeltern auf dem Bau standen und das Haus hochzogen. Bis jetzt nach dem Totalumbau von meinem Cousin.
    Ich habe die Bücher meinem Vater und meinem Onkel geschenkt, denn es war ihre Kinderstube. Sie habe sich sehr gefreut und wurden sogar ein bisschen Sentimental.
    Liebe Grüße von der Küste
    Sanni

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  2. Liebe Gitta,
    das geht unter die Haut, die Bilder, Dein Erzählen- wunderschön und ehrlich ! DANKE ! Und ich hab gleich das Gefühl, dass es ja gar nicht so schlimm ist, wenn es hier nicht voran geht, am kleinen Häuschen !:-)) Musste ja schon ein paarmal grinsen beim Lesen....
    Deine Fotos sind wunderschön, am schönsten finde ich das, wo Du mit dem Babybauch drauf bist, aber auch das Foto von Dir zum Schluss ist total schön (bist eine schöne Frau) ! Und das alte Bauernhaus ein Traum !
    Liebe Grüße, Deine Birgit

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  3. Ein ergreifender Post, ein wundervoller Einblick, vielen Dank für's teilen.
    Wahnsinn, was Ihr da vollbracht habt. Sicherlich ist es oft schwierig gewesen, auf vieles habt Ihr verzichten und vieles entbehren müssen. Aber Ihr habt die Herausforderung angenommen, nicht aufgegeben, an Euren Zielen festgehalten - und Euch damit ein echtes Zuhause erschaffen. Und dass Eure Ehe das alles überstanden hat, darauf könnt Ihr wirklich stolz sein. In meinem Bekanntenkreis gibt es genügend Beispiele dafür, dass die Ehe beim Bau des erträumten Zuhauses kaputt gegangen ist. Und wenn Du schreibst, dass Eure Kinder eine wundervolle Kindheit gehabt haben, so glaube ich das gerne. Träumt nicht jeder davon, dass seine Kinder so aufwachsen sollten (das alte Badezimmer lassen wir jetzt mal aussen vor ;))?
    Wir haben uns vor 22 Jahren auch ein altes, wundervoll idyllisch gelegenes Bauernhaus (bei schönstem Sommerwetter) angesehen – ich was sofort verliebt. Als ein guter Bekannter uns vom Kauf dringend abriet , was ich zunächst richtig wütend auf ihn. Im Nachhinein bin ich dankbar, dass wir uns dieses Haus nicht angetan haben. Wir wären, glaube ich, damals daran gescheitert.
    Aber Ihr habt es richtig gemacht, für Euch war es DAS RICHTGE! Und deshalb wünsche ich Euch noch viele schöne, jetzt auch entspanntere Jahre in Eurem Traumhaus. Und Du kannst stolz sein, eine so tolle Familie zu haben.
    Liebe Grüße,
    Maike
    Ach ja – danke für Deine angebotene Hilfe bezüglich der glutenfreien Ernährung. Vielleicht werde ich tatsächlich mal darauf zurückkommen. So, dass war jetzt aber mal viel Geschreibsel 

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  4. Bravo! Habt Ihr gut gemacht, und wenn Du gestattest, ich freue ich mich aus der Ferne mit..

    Herzliche Grüße
    Elena

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  5. Als ich das erste Foto gesehen habe habe ich gedacht "das sieht doch recht brauchbar aus". Als ich Deinen Text gelesen hatte wusste ich, "der Schein trügt". Als ich noch jung war, war so ein Bauernhaus mein absoluter Traum. Aber ich weiß mittlerweile, wie groß die Dinger sind und so auf meine alten Tage suche ich eher nach bescheidenen 4 Wänden. So ein schwedisches Holzhäuschen vielleicht ....
    Auf jeden Fall habt ihr Euch nicht umsonst abgerackert, habt ein wohnliches zuhause geschaffen und einen Lebenstraum erfüllt. Eure Kinder hatten sicher eine traumhafte Kindheit. Als Kind vermisst man keinen Komfort. Ich denke oft zurück an die bescheidenen Verhältnisse bei meinen Großeltern und wie wohl wir uns dort gefühlt haben. Im Garten mit den Hühnern und dem Schwein im Schuppen. Der einzige Wasserhahn im Haus war im Flur neben dem Plumsklo. Eine eisige Angelegenheit im Winter.
    Danke für diesen Einblick in euren baulichen und persönlichen Werdegang auf dem Lande.
    LG Christiane

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  6. Liebe Gitta, deine Bilder haben mich sehr bewegt. Sie haben mich erinnert an das eine Jahr Landleben auf dem "Hof" meiner Oma in der Türkei. Ich wage zu behaupten, daß wir dort mit einer Vielzahl von Erwachsenen und Kindern unter ähnlich bescheidenen Verhältnissen lebten. Ein Bad gab es erst garnicht. Gebadet wurden wir im Dutzend nacheinander im Kuhstall. Mit einem Holzofen, als einziger Wärmequelle für das ganze Haus auf dem man auch kochen konnte, wurden die köstlichsten Speisen zubereitet. Dieses Jahr, was für die Erwachsenen sicherlich sehr sehr viel harte Arbeit bedeutete, gehört in meinen Erinnerungen zu den schönsten Zeiten meines Lebens. Ganz gewiß hatten eure Kinder eine wunderbare Kindheit. Liebe Grüße.

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  7. Liebe Gitta, das ist ein toller Post! So einiges ähnelt unserer Familiengeschichte- Jahre auf der Baustelle, aber mit platz und Luft und auslauf für die Kinder. Plumsklos und eingefrorene Wasserleitungen. Manchmal staune ich, wieviel Kraft wir hatten vor 30 oder 20 Jahren. Alles hat seine Zeit. Und es ist wunderbar, dass das Leben sich verändert und heute mehr Zeit für das selbst ist. Missen möchte ich aber keinen Augenblick.
    Liebe Grüße in ein schönes Wochenende!
    lisa

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  8. Hallo Gitta,
    ach, war das ein schöner Bericht. Einfach Spitze! Das Leben auf einer Baustelle mit kleinen Kindern kann ganz schön anstrengend sein und nervig, das kenne ich! Ein allte Bauernhaus zu restaurieren ist auch nicht ohne, das kenne ich zwar nicht, nur aus Erzählungen, aber wir sind oft davor gewarnt worden. Ich hätte gerne einges gehabt, eines mit viel Garten. Nun ist es ein kleines am Rande des Dorfes geworden mit winzigem Garten und es ist auch gut so wie es ist.
    Liebe Grüße zu Dir und ich bin gespannt wo die Mia landen wird. Bei Dir?
    Manu

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  9. eine wunderbare, ehrliche reportage! und wie gut, dass eure beziehung durch den jahrelangen stress und die viele arbeit gut geblieben ist. wir hatten vor 30 jahren auch die idee, ein haus war schon fast gekauft, aber wir sind dann doch zurückgeschreckt. im nachhinein bedaure ich es oft, aber wer weiß, was daraus geworden wäre.
    für dich freut mich, dass du jetzt alles noch einmal ganz besonders genießen kannst!
    liebe grüße, mano

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  10. Liebe Gitta,
    du erzählst das so wunderbar, dass man direkt dabei ist: mitten auf eurer Baustelle, die es euch gewiss nicht leicht gemacht hat - mit der ihr aber genau euren Weg und euer Zuhause gefunden habt. Einfach gut.
    - Und das mit dem Pläne-und Ideen-immer-wieder-aufschieben kenne ich auch. Doch alles hat eben seine Zeit.
    Ganz liebe Grüße
    Christiane

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  11. Das hört sich so an, als ob Du vieles richtig gemacht hast ;-)
    LG Silke

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