Montag, 26. Januar 2015

Das Hemd.



Über den Weg gelaufen ist es mir letzte Woche ( mal wieder). Beim Durchsehen meiner, über viele Jahre zusammengetragenen Vorräte an altem Leinen.  


Ein respektabler Schrank voll ist es, mit Dingen unterschiedlicher Herkunft. Und einige der textilen Altertümer galt es zu waschen und für die weitere Verwendung aufzubereiten.  Dabei sind mir Arbeitshemden aus Leinen in die Hände gefallen. Vor ein paar Jahre als graue und stockfleckige Lappen aus einer unattraktiven Flohmarktkiste gezogen, und für unanständige 50 Cent pro Stück gekauft, wollte ich nun entscheiden, was damit zu tun sei .

Gewaschen, näher angesehen und einen Teil zum Verkauf bestimmt, sollte auch das Hemd anfangs diesen Weg gehen. 

 Ich habs mir dann näher angeschaut. Ein altes Arbeitshemd. 


Grobes Leinen für den Körperteil, die Ärmel aus vielleicht damals schon wiederverwendeter Baumwolle. Knopflöcher von Hand gesäumt.


 Der Geradstich an den langen Nähten wohl mit der Nähmaschine, alle anderen Nähte aber von Hand ausgeführt.  
Ein Loch an der Rückseite sorgsam unterlegt und geflickt... könnte es Geschichten erzählen, was würde es uns berichten.  Von einem arbeitsamen, bescheidenen und wohl eher schweren Leben.


 Glücklich ? 

Das kann es nicht sagen. Auf jeden Fall weder im Reichtum noch im Überfluss. 


So ungefähr hundert Jahre wird es wohl alt sein.

Und dann habe ich noch mehr meiner Schätze herausgesucht. Ein Lehrbuch für Handarbeitslehrerinnen aus dem Jahr 1900. Darin der Lehrplan für Mädchen der damaligen Zeit, die schon mit 6 Jahren das Strümpfestricken lernen mussten. Mit 10 Jahren Arbeitshemden nähten. 
Die Schüler der Volksschulen hatten mit 14 Jahren ihre Schulzeit beendet, bis dahin wurden sie auf ihre Aufgaben als Mägde, Knechte, Handwerker, Zimmermädchen, Näherinnen vorbereitet. 
Und das hieß vor allem viel harte Arbeit und kaum persönliche Freiheit. 


Das Buch ist ein kulturhistorisches und pädagogisches Denkmal ! 

  Und ein originales Buch mit den Grundschnitten der wichtigsten Wäschestücke. Ich bewahre es lichtgeschützt auf, damit es nicht weiter nachdunkelt.  Ich habe mich heute gefreut, die Bücher für wenig Geld auf vergangenen Flohmärkten gefunden zu haben zu haben.



 Diese Schätze werde ich behalten.

Und was wird mit dem Hemd, dem Zeugnis eines früheren Lebens... 


Ein Museum möchte ich nicht aufmachen.

 Zum Verkaufen ist es mir zu kostbar... 

 Das alte Leinen ist erstaunlich warm und die Schnitte unerwartet bequem.  

 Es passt mir. 

Und im Garten als Kleid, oder im Winter als Nachthemd ?  Ich werde das Hemd anziehen, es weiter benutzen. Ein Arbeitshemd !



Nur auf der Straße werde ich nicht damit herumlaufen. Sonst komme ich noch ins Museum. 

Ach ja. Vielen Dank noch für Eure, zum Teil sehr persönlichen Kommentare und 
Erfahrungen zum Thema : Das Kind ist groß und zieht aus : Was nun ?

Die Kommentare und die Kommunikation über solche und andere Themen sind für mich das Salz in der Suppe des Bloggens ( auch auf Spanisch).... !!!


3 Kommentare:

  1. Liebe Miesi, da hast Du wirklich kleine Schätze in Deinem Fundus.
    LG Eva

    AntwortenLöschen
  2. Genau, trag es. Grade Du, das erhält dem Hemd seine Würde. Ich kann solche Dinge nur mit großer Andacht in die Hand nehmen. So ein handumstochenes Knopfloch rührt mich zutiefst an.
    Herzliche Grüße
    Lisa

    AntwortenLöschen
  3. Wunderbar. Ich finde es gut, dass das Hemd weiter in Gebrauch (und dadurch lebendig) ist!
    Und solltest Du doch ein Museum aufmachen - ich wäre eine freudige Besucherin!
    Herzliche Grüße
    Mirjam

    AntwortenLöschen