Sonntag, 5. September 2021

Rio Reiser

Verspätet, anlässlich des 25. Todestages

Als wir uns kennenlernten, war ich kaum mehr als ein verzweifeltes Kind, hineingestopft in einen Berufsweg, der nichts, aber auch gar nichts mit dem zu tun hatte, was mich ausmacht, was ich erträumte und wünschte.

 Na klar, die Texte  zusammen mit der Musik schlugen ein wie eine Bombe, ich ging mit Rio zu Bett ich stand mit Rio auf. Pausenlos gedudelt auf dem kleinen Dual-Plattenspieler, der neben meinem Bett stand, auf dem kurz zuvor noch ein Zug nach nirgendwo gefahren war.

 Ja, es gab auch die passenden Menschen zu dieser Musik, die mehr war als Musik, eher ein Grundton, ein Tages, Nachts, Nachmittagsbegleiter. Wir schlossen uns zusammen und besetzten die Dorfdisco und tanzen nach dieser, unserer Musik. Wir wollten einen Platz für uns, wollten lieben, wen wir wollten, uns nicht einer konservativen Ordnung unterwerfen, die uns zwar arbeiten, aber nicht frei leben ließ.

Ich war einem besonders scharfen Lehrherrn ausgeliefert. Nicht nur Arzt, sondern auch Rechtsanwalt, forderte dieser Einfluß bis ins Private, schrieb vor, wohin ich in meiner Freizeit zu gehen hatte und welche Kleidung angemessen sei . Geschützt hat mich niemand.

  Leider hatten wir unterschätzt, dass der Kampf für unsere Ideale eine harte Gegenreaktion provozieren musste und leider, leider, die Reichweite der Lehrherren länger war als unsere Möglichkeiten.

Arme Kinder, es gab jede Menge Repressalien , denen ich nur mit Verstellung und List entgehen konnte.

 Knapp bin ich vorbeigeschlittert, an der Einweisung in eines der berüchtigten Mädchenerziehungsheime, indem ich die Verlobung mit einem Sproß reicher Eltern vorgab.

Wir haben uns dann immer wieder getroffen, der Rio und ich. Der Rückzug ins Private, der tägliche Kleinkram und immer wieder der Traum, nicht allein zu bleiben. Rio hat ihn begleitet („ ich fang den blauen Murg für dich") .

Als Rio Reiser, der irgendwie haltlos Liebende starb, war mein jüngstes Kind gerade geboren. Ich war gedämpft und ins Mutterglück gehüllt, und nahm dies nur am Rande war.

 25 Jahre und ein bisschen, ist das her, ein trauriges Jubiläum, die Musik von Rio Reiser und den Scherben höre ich bis heute und ... je nach Situation, bin ich dann wieder in dem Damals-Film, dem Gefühl und auch der Kraft dieser Musik.

Grund genug für eine Danksagung an eine lebenslange Liebe !

5 Kommentare:

  1. Der Rio.... ich hab ihn nicht gekannt, bloß das ganz witzige, nicht aber Lust auf mehr machende "König von D" Erst in den 2000ern hab ich über eine BookCrossing- Mix-CD-Aktion gleich mehrere Rio Reiser-Titel, die ich richtig schön fand, zu hören bekommen. Und erst zum Gedenktag einen Podcast gehört, der mich, wie auch Dein Beotrag hier, bedauern lässt, daß ich nicht zur richtigen Zeit die Bekanntschaft schließen durfte.

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  2. Man vergisst manchmal, was für ein enges und graues Land das in den 70ern war. Musik war da ein guter Ausweg.

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  3. Rio begleitet mich durch mein Leben, und ich finde mich in deinen Worten wieder. Vielen Dank für diesen Beitrag!! Susanne

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  4. Wieder ein sehr persönlicher Einblick in dein ( früheres ) Leben.
    Mit meinem Lehrherr kam ich auch nicht überein. In die Enge getrieben, fiel mir nichts anderes, nichts besseres ! ein, als ihm zu sagen, dass ich für ihn bete....
    Das kam natürlich nicht gut , auch schlug es sich auf meine schriftliche Beurteilung im Zeugnis wieder.
    LG Angela

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  5. „Keine Macht für Niemand!“

    Rio Reiser

    Herzlichen Montagsabendgruß
    und guten Start in die neue Woche,
    von/wünscht Annette ❤️

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